Gemeinsame Erklärung der Handwerkskammern und der evangelischen Landeskirchen in NRW zum Religionsunterricht im Rahmen der Berufsausbildung – 1998
Die Berufsausbildung im dualen System stellt junge Menschen vor neue Herausforderungen und tiefgreifende Veränderungen. Mit der Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung und technologischen Innovation steigen auch die Anforderungen an die jungen Menschen in der Ausbildung. Neben den berufsspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten gewinnen Human- und Sozialkompetenzen wie Lern- und Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kritik-, Team- sowie Konfliktfähigkeit und Toleranz, Belastbarkeit und Gelassenheit zunehmend an Bedeutung.
Die demokratischen Freiheiten und sozialen Leistungen unseres Staatswesens sind in ihrer geschichtlichen Herkunft und in ihrem kulturellen Selbstverständnis weitgehend durch christliche Überzeugungen geprägt. Besonders auf dem Hintergrund christlicher Tradition wird unsere Geschichte verständlich und die Verantwortung für die Zukunft begründet. Deshalb ist auch in einer pluralen Gesellschaft religiöse Bildung und Erziehung in der Schule unverzichtbar.
Für eine stärkere Werteorientierung der Gesellschaft kann der Religionsunterricht an den Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen im Zusammenwirken mit den anderen Fächern einen wesentlichen Beitrag leisten.
Im Rahmen des dualen Systems haben Berufsschulen wie Ausbildungsbetriebe den Bildungsauftrag, die Auszubildenden zu den für die Berufstätigkeit notwendigen Fähigkeiten und Qualifikationen zu führen. Das Ziel schließt neben der gründlichen Vermittlung von beruflichen Fertigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen auch einen berufsübergreifenden Lernbereich mit ein, der den Erwerb einer vertieften allgemein-beruflichen, gesellschaftlichen und personalen Handlungskompetenz ermöglicht. Im Rahmen dieser ganzheitlich ausgerichteten Ausbildung leistet der an der Lebens- und Erfahrungswelt der Lehrlinge orientierte Religionsunterricht einen wichtigen Beitrag. Er ist auf die Berufsausbildung und den gewählten Beruf bezogen und berücksichtigt die ständig sich verändernde Lebenssituation der Auszubildenden. In ökumenischer Offenheit orientiert er sich an der christlichen Botschaft von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Auch aus Fragestellungen, die das Leben der Auszubildenden bestimmen, ergeben sich konkrete Inhalte und Themen des Religionsunterrichts. Vor dem Hintergrund der christlichen Überlieferung und des christlichen Glaubens können Lösungsmodelle und Antworten dialogisch entwickelt werden.
Die Berufsschule als Teil des öffentlichen Bildungssystems kooperiert als Lernort Schule ständig mit dem Lernort Betrieb. Der Religionsunterricht muß diesen Kooperationsgedanken stärken. Er sollte daher bei der thematischen Gestaltung des Faches auch das Gespräch mit den Ausbildungsbetrieben suchen. Wirtschaftliches Denken und soziale Verpflichtungen stehen zwar in einem Spannungsverhältnis zueinander, gehören jedoch zu den grundlegenden Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft, in deren Rahmen alle Beteiligten ihre besondere Verantwortung erkennen und wahrnehmen müssen.
Eine wichtige Voraussetzung für einen Religionsunterricht, der berufsbezogen sein soll ist die fortlaufende Weiterbildung der Religionslehrer durch regelmäßige Betriebserkundungen und Betriebspraktika, in denen sie sich mit dem Alltag der beruflichen Ausbildung, mit den Erfordernissen einer ständig fortschreitenden Technik und mit den Anforderungen eines sich verändernden Marktes auseinandersetzen.
Ein differenzierter Berufsschulunterricht mit Möglichkeiten der Vermittlung von Zusatzqualifikationen für leistungsstarke und des Förder- bzw. Stützunterrichts für leistungsschwache Auszubildende ist sinnvoll. Der zwischen dem nordrhein-westfälischem Handwerk und der Landesregierung NW erzielte Ausbildungskonsens sieht im Hinblick auf eine möglichst effiziente Nutzung der begrenzten Ausbildungszeiten eine stärkere Differenzierung und Flexibilisierung des Unterrichtes vor. Die für die verschiedenen Zielgruppen vorgesehene Bandbreitenregelung ist eine geeignete Lösung, die diesem Ziel Rechnung trägt.
Handwerkskammern und Landeskirchen in NRW stimmen darin überein, daß der so begründete, auf die Berufsausbildung und Lebenssituation der Jugendlichen bezogene, handlungsorientierte Religionsunterricht im dualen System ein wichtiger Bestandteil des berufsübergreifenden Unterrichts ist. Er wird gelingen, wenn er auch von den Verantwortlichen in den Betrieben mitgetragen wird.
Düsseldorf, den 16.11.1998
Präses Manfred Sorg
Evangelische Kirche von Westfalen
Stellv. Vorsitzender Otto Kentzler
Westdeutscher Handwerkskammertag
Präses Manfred Kock
Evangelische Kirche im Rheinland
Geschäftsführer Klaus Schloesser
Westdeutscher Handwerkskammertag
Kirchenrat Klaus Wesner
Lippische Landeskirche
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