Ausbildung rechnet sich
aus BRU 26
Für die Wirtschaft scheint es klar zu sein: Die eigentliche Schuldigen an der Ausbildungsplatzmisere sind die Auszubildenden selbst: Sie „verdienen“ zu viel. Für die Großbetriebe, die nach dem Sharholder Value- Prinzip vorgehen, sind Auszubildende zu teuer. Aber auch die Kleinen stöhnen: “ Zu teuer und : der zweite Berufsschultag muß ab dem 2. Ausbildungsjahr wegfallen.“
Befragt man Auszubildende, dann ist es vor allem im Handwerk oder im Einzelhandel für sie klar: „Wir werden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt.“ Wenn die Betrieb für uns Aushilfskräfte oder Ausgelernte einstellen müßten, dann käme sie das teurer, argumentieren sie. Auszubildende in Großbetrieben erkennen die Ausbildungsleistung ihrer Firma an, aber sie sagen auch: Die können sich dann die Besten aussuchen und weiterbeschäftigen. Die bringen ihnen dann die Ausbildungskosten schnell wieder rein.
Wer hat Recht ? Empirische Untersuchungen des BiBB und des Deutschen Instituts der Wirtschaft liegen vor, die uns – ein natürlich – differenziertes Bild liefern:
Die Studie des BiBB über „Betriebliche Kosten und Nutzen der Ausbildung“ macht deutlich: Eine pauschale Antwort ist nicht möglich. Je nach Branche, Region und Betriebsgröße sind die Kosten verschieden. Auch die Berechnungsmethoden sind umstritten: Sollen alle Kosten des Betriebes mit eingerechnet werden („Vollkosten“ ) oder nur die real anfallenden Kosten für die Ausbildung ( „Teilkosten“ ). Sollen drüberhinaus die durch Ausbildung ersparten Aufwendungen ( “ Opportunitätskosten“) für Personalsuche, Probezeiten, Einarbeitungskosten, Fehleinstellungen, Flukutuationskosten, Imagegewinn durch Ausbildung, usw. mit eingerechnet werden ? Zudem sind die Daten nur von den Betrieben erhältlich, also interessengeleitet „manipuliert“. Angesichts dieser Lage wird man also kaum „objektive“ Auskünfte erhalten.
Dennoch sind die Daten des BiBB ganz interessant:
Gesamtkosten Erträge Nettokosten
Insgesamt 18.051 DM 11.711 DM 6.340 DM
Industrie und Handel 20.508 DM 11.315 DM 9.194 DM
Handwerk 12.936 DM 12. 536 DM 400 DM
Bei den echten Kosten ( Teilkosten) ohne die Vorteile der Rekrutierung künftiger Arbeitskräfte kostet ein Azubi im Handwerk also nur 400 DM – ist also praktisch eine kostenlose Arbeitskraft an 134 Tagen im Jahr!
In Industrie und Handel müssen 9.194 DM netto pro Jahr aufgewendet werden. Das sind 966 DM pro Monat für eine „Arbeitskraft“ die 119 Tage im Jahr betrieblich am Arbeitsplatz verbringt bei angenommenen 60 Tagen Berufsschule, 32 Tagen Urlaub, 9 Tage Krankheit und 7 Tagen externe Lehrgänge- so die statistische Berechnungsgrundlage.
Aus diesen Zahlen aber wird deutlich, warum die Betriebe ein Interesse haben, die verfügbare Zeit im Betrieb zu erhöhen: Das Handwerk könnte dabei erhebliche Gewinne machen und die anderen Bereiche würden kostenmäßig um etwa durchschnittlich 3000 DM pro Jahr entlastet. Dies immer auf der Basis der Zahlen, die aus der Wirtschaft selbst abgefragt wurden, gerechnet.
Es geht also bei der Kostenentlastung durch den Wegfall des 2. Berufsschultages (30 Tage ) um diese 3000 DM im Jahr.
Ähnliche Ergebnisse rrgibt eine Arbeitgeber-Studie von 1994 für die Elektroindustrie ( AEG ). Günter Cramer und Karlheinz Müller, Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung, Köln 1994, haben errechnet, was eine Ausbildung wirklich bringt:
Gewerblich-technische Ausbildung ohne „Opportunitätskosten“: 7228 – 17500 DM Kosten
Kaufmännische Ausbildung ohne „Opportunitätskosten“: 7570 DM Erträge
Mit allen Vorteilen – auch nach der Ausbildung ( mit „Opportunitätskosten“ ) :
rechnet sich die gewerbliche Ausbildung voll,
im kaufmännischen Bereich werden überwiegend Gewinne eingefahren.
Im Einzelnen: Bei einer gewerblich-technischen Ausbildung kostet also die Ausbildung im schlimmsten Fall Netto 17500 DM pro Jahr, wahrscheinlicher sind jedoch 7228 DM pro Jahr. Wenn die „Opportunitätserträge“ hinzugenommen werden, dann ergibt sich im gewerblichen Bereich eine ausgeglichene Kosten-Nutzen- Rechnung: Also: die gewerbliche Ausbildung auch in der Großindustrie rechnet sich. Vor allem im kaufmännischen Bereich sind in den überwiegenden Fällen Nettoerträge von 7570 DM pro Jahr ( 26500 DM insgesamt für die Ausbildung ) möglich. In seltenen Fällen – worst case Annahme – sind 6000 DM pro Jahr an Kosten zu verzeichnen.
Das Fazit der Studie : Ausbildung lohnt sich in den überwiegenden Fällen für den Betrieb.
Um den Gewinn noch stärker zu maximieren, wird von Cramer/Müller gefordert: Senkung der Berufsschulzeiten mit gleichzeitigem Einfrieren der Ausbildungsvergütungen. Dies würde für auch für den Rest der Betriebe die Ausbildung rentabel machen.
Fazit: Ausbildung rechnet sich bei richtigem Mangement immer- so selbst die Arbeitgeber-Seite.
Die Untersuchung des Bundesinstituts ist dabei sogar vorsichtiger als die Studie der Wirtschaft.
Kommentar des Autors: Insgesamt scheint die Fähigkeit, längerfristig den Personaleinsatz zu planen, in der deutschen Wirtschfaft abhanden gekommen zu sein. Die Cash-sofort-Ideologie hat die Rationalität wirtschaftlichen Handeln vernebelt. Den Schaden hat vor allem die junge Generation.
Die überwiegend festzustellende „Ausbeutung“ der Auszubildenden als billige Arbeitskraft soll nun durch weitere „Reformen“ bei Berufsschulzeiten und Vergütungen verstärkt werden. Qualitätsabsenkungen sind die Folge. Die Programme „für ein unternehmerfreundliches Ausbildungsumfeld“ ( z.B. IHK Nordrhein-Westfalen ) bemänteln die eigene Habsucht mit qualitativen Forderungen zur Verbesserung des Berufsschulunterrichtes: Mehr Fremdsprachen, Human- und sozialkompetenzen, neue Technologien (Computer)… Wie soll aber die Schule bei weniger Stunden diese Forderungen erfüllen?
So schafft man Verhältnissse wie sie 68 herrschten. Die Zeit der Lehrlingsdemos könnte so schneller kommen als manche einer sich vorstellen kann. Es fehlt nur eine gute Organisationsbasis. ( s. Heitmeyer-Studien, Bielefeld ).
Dietrich Horstmann