Standortdebatte

Die Standortdebatte – Argumente und Gegenargumente

1. „Der Standort Deutschland ist in Gefahr – der Kuchen wird immer kleiner – wir drohen zu verarmen.“
Gegenargumente:
– Das Bruttosozialprodukt ist mit Ausnahme des Jahres 1993 in jedem Jahr gestiegen. 1995 um 1,8 %. Der Kuchen wird immer noch größer.
– Das Volkseinkommen je Einwohner ist 1995 um 4,4 % auf 32043 DM , das je Erwerbstätigen um 5,0 % auf 75095 DM gestiegen.



2. „Der Standort Deutschland ist gefährdet, weil die steuerliche Belastung der Unternehmen zu hoch ist.“
Gegenargumente:
– Die Großen zahlen kaum noch Steuern. Die Kleinen sind die Dummen.
– Siemens zahlte 1995 keine Steuern mehr in Deutschland.
– BMW überwies 1988 in Deutschland noch 545 Mill. DM an Steuern, 1992 noch 31 Millionen. 1993 waren die Gewinne wieder gesteigen. Man ließ sich 32 Millionen vom Staat zurückgeben.
– Während die Quote der Einkommens- und Körperschaftssteuern auf den niedrigsten Stand seit 1960 von 5,9 % auf 0,9 % gesunken ist, ist der Anteil der Lohnsteuer am Steueraufkommen von 2,7 auf 8,9 % gestiegen.
– Die Unternehmer und Vermögenden können 89,0 % von ihren Bruttoeinnahmen netto für sich verbuchen, während die abhängig Beschäftigten vom Bruttolohn nur 64,3 % netto erhalten.
– Die durchschnittliche steuerliche Belastung der Unternehmen und Vermögen hat sich von 1991 bis 1995 von 14,4 auf 9,7 % reduziert ( Die Woche 46/ 8.11.1996)



3. „Die Ertragslage ist gesunken, so daß kein Geld mehr für Investitionen mehr bleibt.“
Gegenargumente:
– Die Netto – Gewinne ( nach Abzug aller Abgaben und Einrechnung von Abschreibungen ) aus Unternehmenstätigkeit ist seit 1991 jährlich um durchschnittlich 15,5 % gestiegen ( Die Woche ebd. ).
Die Investitionen in neue Arbeitsplätze aber sind gleich null.
– Dafür beträgt der Kapitalexport allein nach Luxemburg nach Rechnung der Herald Tribune 1993 und 1994 150 Milliarden DM.
Bei einem Bundestagshearing wurden sogar 330 Milliarden DM genannt,
die nnerhalb von zweieinhalb Jahren illegal aus dem Land geschmuggelt
worden sein sollen.( SZ 20.1.1996 )

4. „Die Staatsverschuldung ist zu hoch. Sie gefährdet den Standort Deutschland“
Gegenargumente:
– „An der Staatsverschuldung verdienen Reiche, die es sich leisten können, dem Staat Geld zu leihen. Die fälligen Zinsen zahlt später die Gesamtheit der Steuerzahler“ ( Helmut Schmidt )
– Eine Steuererhöhung für nicht betriebliche Kapitalertäge und eine Kapitaltransfersteuer kann die Staatsverschuldung senken.

5. „Die niedrigen Löhne im Ausland werden immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland ziehen. Deshalb müssen die Löhne bei uns gedrückt werden.“
Gegenargumente:

– Nur 2% aller Investitionen geht in nichtentwickelte Länder ( z.B. im Osten ).
– 90% der Investitionen entfallen auf das Inland, vom Rest fließt 80% in hochentwickelte Industriestaaten. ( FR 28.2.1996 ) .
– Die Zahl der exportierbaren Arbeitsplätze ist wesentlich geringer als angedroht.
– Das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte, die Ortsnähe, direkte Kommunikation, hohe Transportkosten, Qualitätsprobleme u.v.a. Faktoren lassen viele Unternehmen bereits wieder zurückkehren ( z. B. in der Textilbranche).
– Die Mehrzahl der Investitionen im Ausland dienen dazu, Konkurrenten aufzukaufen, die Betriebe dichtzumachen und die übernommenen Märkte zu bedienen.
– Arbeitsplatzexport führt zu Nachfrage nach hochwertigen Anlagen, die nur bei uns entwickelt und hergestellt werden können.
– Arbeitsplatzexport führt zur Steigerung der Löhne in den Ländern und macht ten denziell die Vorteile wieder zunichte. Der Arbeitsplatzwanderzirkus kommt schnell an sein Ende. ( s. Taiwan und Südkorea )

6. „Die Steuern in den USA und Österreich sind niedriger als bei uns“.
Gegenargument: Es stimmt zwar, daß die Steuerqoute dort niedriger ist, zugleich wurden aber Subventionen nahezu vollständig abgebaut, so daß die Staatseinnahmen gestiegen sind.

7. Ausländische Unternehmen investierten 1995 nur 13 Milliarden in Deutschland währen  wir 40 Milliarden im Ausland investierten.
Gegenargument: Die Exporte stiegen 1995 um 5,5, % auf 728 Milliarden DM Das heißt „wir sind Export -Vizeweltmeister“ ( G. Friedrich, MdB im Internet ).

8. „Die Soziallasten sind zu hoch“
Gegenargument: der Anteil der Sozialkosten am BSP ist auf dem Stand von 1973.
Da die kleinen und mittleren Betrieb oft einen höheren Anteil an Lohnkosten haben, sind in diesen Bereichen, die Lohnnebenkosten oft zu hoch.

9. „Die Staatsquote ist zu hoch“
Gegenargument: der Anteil des Staates an der Verwendung des Bruttinlandsprodukts schwankt seit 1960 zwischen 19 und 20,7 % und hatte 1995 einen relativ tiefen Stand von 19,8 % hatte.

10. “ In England oder den Niederlanden hat die Deregulierung zu niedrigen Arbeitslosenzahlen geführt“.

Gegenargumente:
– Für England gilt:“Neue Stellen sind meist schlechtbezahlte Teilzeitjobs… Rund 3,3, Millionen Haushalte, fast 20 Prozent, sind ohne bezahlte Arbeit…Es gibt zwar mehr Arbeit, aber das Einkommengefälle ist so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr“
( Die Woche,.7.3.1996).
– Für die Niederland gilt: Die Deregulierungen haben zwar die offizielle Arbeitslosigkeit auf 6,7 % reduziert. „Aber: Immer noch fast ein Drittel aller Niederländer beziehen Lohnersatzleistungen, Arbeitslosen- oder Invalidengeld. Zählt man alles zusammen, liegt die Arbeitslosenquote nicht bei 6,7, sondern bei 27 Pro zent.( ebd.)



11. „Weltweite Regulierungen der Märkte lassen sich nicht durchsetzen“

Gegenargumente:

– Der Internationale Währungsfonds“ ( IWF) hat sehr wohl Macht. Er hat
z.B. Mexiko vor dem Bankrott gerettet und steuert weite Teile der Welt-
wirtschaft.
– Internationale Handelsabkommen (z.B. GATT ) regeln die Märkte seit
langem zu Lasten der Dritten Welt.
– Länder wie Irak oder Cuba werden durch internationalen Druck sanktioniert,
gegenüber Südafrika haben die internationalen Institutionen durchaus Erfolg gehabt.
– Die Wirtschaftsmacht Europa ist durchaus in der Lage, weltweit Einfluß zu nehmen.

Dietrich Horstmann



PS: Um der Lesbarkeit willen ist auf genaue Zitate verzichtet worden. Die statitischen Angaben sind in der Literatur – überwiegend bei Martin/Schumann, Die Globalisierungsfalle – schnell auffindbar.Die Zahlen sind z.T. durch die Daten des Bundesamtes für Statistik auf den neuesten Stand gebracht.

Literatur:
Martin,HP., Schumann,H., Die Globalisierungsfalle, 1996
Hamm, Bernd, Struktur moderner Gesellschaften, 1996
Rifkin,J. Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, 1995
Reich, Robert, Die neue Weltwirtschaft, 1996
Altvater,E. u.a., Grenzen der Globalisierung, 1995