Meine Ausbildung und mein Beruf

Meine Ausbildung und mein Beruf
Kompetenzen erwerben mit Lebendigem Lernen (TZI)

Handlungsorientiertes Lernen


Im BRU geht es um den Erwerb von Kompetenzen, in beruflichen „Lebenssituationen authentisch, angemessen, kritisch, solidarisch und hoffend zu handeln“ (Richtlinien, S. 13). „Lebendiges Lernen“, eher bekannt unter der Bezeichnung „Themenzentrierte Interaktion“ (TZI; Cohn 1974), eignet sich dafür in besonderem Maße.
In der TZI sind äußere und innere Realität Ausgangs- und Zielpunkt. Ausbildung und Beruf sind für die Mehrzahl der Auszubildenden zentraler Lebensinhalt. Die Tatsache, schon im Berufsleben zu stehen und Geld zu „verdienen“, vermittelt ihnen ein starkes Gefühl des Selbstwerts gegenüber anderen Gleichaltrigen. So ist der Beruf für 84 % der berufstätigen Jugendlichen Hauptbezugspunkt ihres Lebens. Dabei sind 31 % ausgesprochen berufsorientiert, 30 % „ausbalanciert“ zwischen Arbeit und Freizeit, 23 % „familienorientiert“ (13 % der männlichen, 34 % der weiblichen Jugendlichen) und nur 16 % „freizeitorientiert“ mit „relativ hoher Distanz zur Arbeit“ (Baethge 1988, S. 70f). Dies bedeutet, daß sie in der Phase der Umorientierung ihrer Identitätskonzepte starkem Entscheidungs- und Verantwortungsdruck ausgesetzt sind und sein wollen (Kryszon 1991). Sie geraten in Konflikte zwischen eigenen Bedürfnissen und fremden Interessen, Lebenskonzepten und moralischen Ansprüchen, Traum und Realität, Allmachtsphantasien und Ohnmachtsgefühlen. „Widersprüche und Brüche im Prozeß der Identitätsfindung“ (Grösch 1987) sind aufzulösen oder auszuhalten. Durch zunehmende Technisierung steigen die fachlichen Anforderungen. Eine stabile Persönlichkeit, Verantwortungsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit in Teams werden verlangt. Diese bisher „extrafunktionalen“ Qualifikationen werden zunehmend zu „Schlüsseln“ für den Eintritt in die Erwerbsarbeit und darüber hinaus. Die bisherigen Konzepte der Lebensbewältigung reichen nicht mehr aus. So werden Lernprozesse notwendig, die – ganzheitlich und konkret – fachliche, persönliche und soziale Aspekte miteinander verbinden und thematisieren. (è Bader; Henn)
Dies umzusetzen bietet sich die TZI an. In ihr wird die Balance von Thema, Person und Gruppe unter Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen (Globe) mit dem Ziel der „Selbstmächtigkeit“ in Kooperation und in Verantwortung (Chairperson) lebendig erlebt und gelernt.

Schaubild 8: TZI-“Globe“ in GrundformTZI ist zunächst eine Methode des Lernens in Gruppen (Interaktionsmodell). Mit den Postulaten „Sei Deine eigene Chairperson“ und „Störungen haben Vorrang“, in Verbindung mit Hilfsregeln, bietet die TZI ein Ausbildungskonzept. Mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren je nach beruflicher Verwendung soll das flexible Ausbalancieren von Sache, Person und Gruppe, unter Berücksichtigung von Rahmenbedingungen, erlernt werden. Dementsprechend kommen therapeutische, gruppendynamische (è Autschbach: Gruppenarbeit), rollen- und spielpädagogische (è Pantel) sowie schulpädagogische Methoden zum Einsatz. Dabei ist der Bezug auf die jeweilige Situation („hier und jetzt“, aber auch „einst und dann“) wichtig.
Dieses (technische) Interaktionsmodell erhält seine Füllung durch wertsetzende Axiome und Postulate. Mit ihnen soll aus der Bewußtheit für die „Autonomie“ und für die kosmische „Interdependenz“ die Haltung der Ehrfurcht, des Respekts, der Anteilnahme und die Bereitschaft zum Engagement für alles Lebendige und sein Wachstum gestärkt werden (Cohn 1974).
In diesen Wertsetzungen zeigen sich Parallelen zwischen TZI und wesentlichen Inhalten der jüdisch-christlichen Tradition, sie eignet sich also auch für den RU (Stollberg 1982, S. 146ff) und für die Unterrichtsplanung überhaupt (Schulz 1981).
Die Umsetzung von TZI erfordert eine entsprechende Ausbildung. In ihr lernen die Leitenden der Lerngruppen die Kompetenz der „teilnehmenden Leitung“. Damit sollen Grenzen zwischen Lehrperson und Lernenden aufgehoben werden, ohne Leitungsverantwortung aufzugeben („selektive Authentizität“). Diese „Schulung“ sollte durch eine berufsbegleitende Supervision ergänzt werden, damit die Qualifikation erhalten bleibt.

Themen eines Curriculums nach TZI

Nach meinen Erfahrungen ergeben sich folgende thematischen Aspekte zum Themenfeld „Meine Ausbildung und mein Beruf“:
– Meine Berufswünsche in der Kindheit
– Meine Wege zum Ausbildungsberuf
– eigene Motive (Wünsche, Träume, Erwartungen)
– Einflüsse von außen (Eltern, Schule …)
– Hindernisse und eigene Schritte zur Ausbildung
– Meine Situation als Auszubildender
– Meine Begabungen und Schwächen
– Fachliche Qualifizierung – Leistung – Versagen
– Meine Kontakte zu anderen – Kollegialität
– Konflikte mit anderen – Interessenvertretung
– Autorität – Anpassung – Gehorsam – Widerspruch
– Mein Status jetzt und der meines Berufes
– Vergütungen – Geld
– Rahmen: Organisation – Arbeitszeit – Urlaub
– Sinn der Arbeit – für mich, für andere
– Zukunftsperspektiven in und mit dem Beruf als …
– persönliche Perspektiven nach der Ausbildung
– Arbeitsmarktperspektiven im erlernten Beruf
– Zukunft der Arbeit und meine Zukunft
– Mein Beruf in der Perspektive meines Lebens
Diese Themen geben den größeren Sachzusammenhang an und enthalten erste „Engführungen“ (Mein …). Ihre spezifische TZI-Färbung erhalten sie durch eine sorgfältige Formulierung. Dabei werden Sachaspekt, Personenbezug, Gruppenorientierung und globaler Bezugsrahmen möglichst konkret und sprachlich angemessen auf die Situation in der Lerngruppe hin zugespitzt.
Im „handlungsorientierten Lernen“ (è Bader; Henn) sind die Themen Angebote, die von den LER gewählt oder im Prozeß des Lernens gewünscht werden. Insofern ist die obige Auflistung kein geschlossenes Curriculum, sondern ein thematischer Rahmen.

Elemente für das Curriculum nach TZI

Der Einsatz der folgenden Elemente hängt vom Maß an Vertrautheit mit und innerhalb der Lerngruppe ab. Die folgenden zwölf Beispiele sind zumeist einzeln zu verschiedenen situativen Anlässen eingesetzt worden: Zu Beginn des BRU, nach dem 1. Jahr, vor der Zwischenprüfung, am Ende der Ausbildung: wenn in der Lerngruppe das Thema „dran“ war. Sequenzen aus mehreren Elementen dauern etwa vier Unterrichtswochen. Alle Beispiele sind (mit wechselndem „Erfolg“) unterrichtlich erprobt. Sie werden unterschiedlich ausführlich vorgestellt, weil manches als bekannt vorausgesetzt werden kann.

Mein Traumberuf – einst und jetzt

Schaubild 9: TZI-“Globe“: Meine AusbildungAuswertung: 1. Gemeinsamkeiten – Unterschiede 2. Ich gebe meiner Ausbildung eine Note (von 1 – 6) 3. Was ist typisch, was speziell für meine Situation?
Ziel: Urteilskompetenz erwerben

Veränderungswünsche

TZI-Thema: „Mir gefällt einiges nicht in meiner Ausbildung – was ärgert mich – worüber will ich mich beschweren – was wünsche ich mir – wie will ich diesen Wunsch zum Ausdruck bringen?“
1. Schritt: Fragenbogen (im Anschluß an Vopel, 1981, S. 139ff): Was ärgert mich in Bezug auf Vorgesetzte, Kollegen, Arbeitsbedingungen, Zeitgestaltung, Organisation, Entgelt, fachliche Förderung, meine Tätigkeiten …? 2. Schritt: Meine wichtigste Beschwerde formulieren (z.B.: „Ich lerne nichts“). 3. Schritt: Meine Forderung benennen (z.B.: „Ich will, daß mein Chef mir echte Aufgaben gibt und mir gründlich erklärt“). 4. Schritt: Was kann ich allein – mit anderen – tun, um über meine Hauptforderung in Verhandlungen einzutreten?
Ziel: 1. Frust über Mißstände in der Ausbildung artikulieren. 2. Wünsche, Anregungen, Forderungen präzisieren. 3. Handlungsschritte allein oder mit anderen planen und probieren.

Konflikte

Fächerübergreifendes Simulationsspiel: Kaufhaus hält Ausbildungsplan nicht ein – Auszubildende verweigert Arbeitsaufnahme. Dauer 3 – 4 Doppelstunden.
Einstieg: Reißerischer BILD-Titel „Fauler Lehrling“. Aufgewiegelt durch einen Gewerkschaftsfunktionär weigert sich Brigitte Z., die ihr aufgetragene Arbeit im Lager aufzunehmen. Es ist ihr einfach zu lästig, dort zu arbeiten. Ihr Chef: „Wo kämen wir denn hin, wenn wir so etwas einreißen ließen …!?“ Das Kaufhaus kündigt ihr wegen Arbeitsverweigerung. Fachleute: „Die Jugend von heute hat immer weniger Bock auf Arbeit. Sie ist verwöhnt …“
Der wahre Sachverhalt: Die Auszubildende – 1. Jahr – arbeitete vom 1.1. bis zum 30.4. im Lager. Sie hätte laut Ausbildungsplan ab 1.4. im Verkauf Damenoberbekleidung ausgebildet werden sollen. Das geschieht nicht. Brigitte Z. weigert sich, die Arbeit im Lager fortzusetzen. Der Ausbildungsleiter schickt sie nach Hause: „Ihr Ausbildungsverhältnis ist mit sofortiger Wirkung beendet.“
Am Simulationsspiel Beteiligte: Die Betroffene (Mitglied in der Gewerkschaft), die Jugendvertretung/der Betriebsrat, das örtliche Büro der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), die Kaufhausleitung, die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Eltern, die Presse …
Planungsphase: Entsprechende Gruppen werden gebildet. Je nach Informationsstand werden Informationen zu Gesetzen und zu Rollen bei den Institutionen erkundet, erarbeitet oder vorgegeben.
Durchführung des Spiels: Schriftwechsel zwischen den beteiligten Gruppen. Alle Informationen gehen über die „Pressestelle“ (Lehrperson macht hier mit). Die Pressestelle sammelt die Korrespondenz, hilft – in der Rolle bleibend – bei Stockungen vorsichtig nach, beobachtet und kommentiert später den Verlauf.
Auswertung: Wie habe ich mich in meiner Rolle gefühlt?
Welche Schwierigkeiten hatte ich, hatten wir?
Wie würde der Konflikt in der Realität gelöst? Wie könnte er fair durchgeführt werden und „gerecht“ ausgehen? (è Rath)
Feed Back: Ich habe gelernt …
Ziele: 1. Einen Konflikt wahrnehmen. 2. Für unterschiedliche Interessen sensibel werden. 3. Einen Konflikt fair austragen. 4. Eigene und fremde Wertvorstellungen artikulieren. 5. Konstruktive Lösungen auf der Grundlage von rechtlichen Vorgaben suchen.

Sinn und Zweck meiner Arbeit in meinem Beruf
TZI-Thema : „Meine Ziele bei meiner Tätigkeit in meinem Beruf – welche habe ich – welche möchte ich verändern – welche Schritte will ich dazu tun?“Einstieg: Arbeitsblatt „Wozu arbeite ich?“

Arbeitsblatt 1: „Wozu arbeite ich?“


WOZU ARBEITE ICH ?

Im Folgenden sind einige Ziele und Zwecke angegeben, die wir mit unserer Arbeit verfolgen können. Lesen Sie bitte den Katalog in aller Ruhe durch und
versuchen Sie sich klarzumachen, was gemeint ist.

ICH WILL IN MEINEM ERLERNTEN BERUF ARBEITEN ….

1. –um die Anerkennung anderer zu gewinnen.
Ich möchte, daß sie meine Tüchtigkeit und meine Arbeitsergebnisse anerkennen.
2. – um die Bewunderung anderer zu erringen.
Ich möchte, daß andere über meine Arbeit staunen und mich „toll“ finden.
3. – um auf mich stolz zu sein.
Ich möchte sagen können: „ Das ist mein Werk. Das habe ich geschaffen.“
4. – um mich selbst zu bestrafen.
Ich sage innerlich zu mir: „Wenn ich hart genug arbeite und mich quäle, dann muß ich mich nicht schuldig fühlen.
5. – um den Kontakt mit anderen zu genießen.
Ich komme dann von zu Hause weg und kann unter meinesgleichen sein.
6. – um einen bestimmten Lebensstandard zu erreichen.
Mit dem Verdienst kann ich mir Dinge leisten, die mir wichtig sind.
7. – um mich berühmt zu machen.
Ich möchte, daß man von mir noch lange spricht, weil ich eine wichtige Leistung vollbracht habe ( Erfindung, Entdeckung ).
8. – um zu überleben.
Ich möchte durch meine Arbeit soviel verdienen, daß ich genug zu essen und ein Dach über dem Kopf habe.
9. – um „Gewinner“ zu sein.
Ich möchte besser sein als andere und meine Konkurrenten überflügeln.
10. – um eine feste Ordnung in meinem Leben zu haben.
Ohne einen festen Rahmen würde ich vergammeln und mich langweilen.
11. – um meine Neugier und meine Lust an der Abwechslung zu befriedigen
Mir liegt es, neue Ideen und Projekte anzukurbeln. Sie können dann ruhig von anderen zu Ende geführt werden.
12. – um nicht auf trübe Gedanken zu kommen.
Ohne Arbeit würde ich stumpfsinnig, deprimiert herumsitzen und nichts tun.
13. – um mich sicher zu fühlen.
Ich fühle mich sicher, wenn andere mir Aufgaben geben und ich nicht voll verantwortlich bin.
14. – um Einfluß zu haben.
Ich lasse mir nicht gerne was vorschreiben. Ich fühle mich wohl, wenn ich anderen zeigen kann, wo es lang geht. Ich führe gerne andere.
15. – um etwas Sinnvolles zu tun.
Ich möchte, daß meine Arbeit etwas Sinnvolles für die Menschen hervorbringt.
16. – um mit meinen Gaben anderen zu dienen.
Ich möchte die mir anvertrauten Kräfte verantwortlich einsetzen.

1. Kreuzen Sie die Punkte an, die mehr oder weniger auf Sie zutreffen.
2. Bringen Sie die angekreuzten Punkte in eine Reihenfolge.3. Welche der angekreuzten Einstellungen möchten Sie beibehalten, verstärken oder abschwächen oder aufgeben ?4. Gibt es innere Einstellungen in der Liste, die Sie gerne erlernen möchten ? Wie ist das möglich ? 
(nach Vopel 1981, S. 126ff).

TZI-Thema: „Ich zwischen Sinn, Geld, Gemeinschaft und Sicherheit – wo ist mein Ort im Viereck meiner Interessen – wo ist deiner – wir vergleichen uns miteinander. Wie will ich meine Balance finden – jetzt und später …?“
Weg: Mein Wertefeld
Ich trage in ein Dreieck oder Viereck meine Hauptziele oder -zwecke ein (z.B. Geld – sicherer Arbeitsplatz – gutes Betriebsklima – sinnvolle Arbeit). Ich bestimme meinen Ort in diesem Feld, indem ich ein Kreuz dort hinmale, wo ich mich befinde.

Geld SicherheitKlima Sinnvolle Arbeit zum Viereck hier anklicken
Plenum: An der Tafel wird ein großes Wertefeld aufgezeichnet. Jeder kann sich dort selbst einzeichnen. Es entsteht eine Werte-Landkarte dieser Gruppe.
Zur Überlegung: Mit wem stimme ich überein? Wer ist mir fremd? Wer macht mich neugierig, ihn zu befragen …?
Ziele: 1. Unterschiedliche bzw. sich ausschließende Standpunkte und Ziele wahrnehmen. 2. Das „Dilemma“ von Wertekonflikten erkennen. 3. Einsicht gewinnen, daß es keine einfachen Lösungen gibt. 4. Die eigene Zielrichtung/Veränderungsrichtung wahrnehmen; Schritte dahin überlegen und sich vornehmen.

Meine Berufung

TZI-Thema : „Ich auf der Erde – wozu bin ich da – wozu fühle ich mich im Augenblick berufen – wie will ich meiner Aufgabe gerecht werden?“
Einstieg: Malen/Collage mit dem Thema: „Ich im Kosmos/auf der Erde“.
Auswertung: 1. Gefühle, Probleme beim Malen 2. Je nach Vertrautheit Vorstellen der Bilder (s.o. Nr. 2) 3. Im Plenum Austausch über das TZI-Thema.
Dabei ergibt sich oft das Thema: „Mein Ausbildungsberuf ist nicht der richtige für mich. Er hat keine Perspektive. Soll ich abbrechen und in einen anderen Beruf wechseln?“ Da ist meist fachkundige Beratung außerhalb des Unterrichts notwendig.
Ziel: Einsicht: „Ich bin nicht allmächtig, ich bin nicht ohnmächtig“ (Cohn 1974, S. 121). Aber: Ich habe einen Entscheidungs- und Handlungsspielraum.

Moralische Dilemmasituationen

Um ins Gespräch über andere ethische Dimensionen des Berufsalltags zu kommen, eigenen sich Dilemma-Geschichten.
Beispiel 1: Wolfgangs Freund Eberhard stiehlt einen wertvollen Diamantbohrer im Betrieb. Verdächtigt wird der Strafentlassene K. Soll Wolfgang seinen Freund verraten? (Mokrosch 1980, S. 124)
Beispiel 2: Soll ein Betriebsratsmitglied Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch dann verschweigen, wenn sein Schweigen den Kollegen, die ihn gewählt haben, sehr schadet, z.B. bei Entlassungen? (Lempert 1988, S. 13).
Beispiel 3: Der kirchentreue Unternehmer und Presbyter H. will Sonntagsarbeit einführen, um seine Maschinen besser auszulasten. Er würde sonst in Konkurs gehen, 50 Leute wären arbeitslos. Seine Frau sagt: „Du lebst nur für den Beruf. Deine 3jährige Tochter und mich vernachlässigst du. Als Christ …“ (è Robra/Süß)
Weg: Rollenspiele. (è Rath)

Arbeitsblatt 2: „Sonntagsarbeit bei CompuCad?“

Sonntagsarbeit bei CompuCAD?

Hans Quick, 30, ein dynamischer Unternehmer hat einen modernen Computerbetrieb „Compu-CAD“ für CAD-Anwendungen. Er hat 30 Mitarbeiter, die er bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit – z.B. mit gut bezahlten Überstunden – beschäftigt. 6 Auszubildende erhalten bei ihm eine gute Ausbildung. Die Branche boomt. Er möchte seine millionenschwere Hard- und Software noch besser ausnutzen. Wochenend- und Sonntagsarbeit wäre eine kostengünstige Lösung.

Als aktives Mitglied im Presbyterium seiner Kirchengemeinde – er ist über die Friedens- und Ökologiebewegung dazugestoßen – hat er die Diskussionen um die Sonntagsarbeit in seiner Kirche verfolgt. Er ist keineswegs engstirnig „fromm“, sieht aber im sonntäglichen Gottesdienst und in der Jugendarbeit der Gemeinde eine wichtige Ergänzung zu seinem harten Job als Unternehmer. Es gibt mehr im Leben als Geld und Arbeit: Frieden und Umwelt zu bewahren und soziale Gerechtigkeit für die ganze Menschheit. Vor seinem Antrag auf Genehmigung von Sonntagsarbeit beim Gewerbeaufsichtsamt will er diesen Plan mit seinen Beschäftigten, dem Betriebsrat und der Jugendvertretung besprechen. Als moderner Unternehmer will er ohne deren Zustimmung nicht entscheiden.

Vor dieser Entscheidung berät er sich mit seiner Frau.

Seine Frau, Ina, 28, ist nur halbtags mit im Betrieb beschäftigt, weil sie nachmittags und abends für die beiden Kinder, Michael, 4, und Sonja, l, Zeit haben will. In letzter Zeit merkt sie, daß ihre Ehe nur noch auf dem Papier besteht: Am Wochenende hat Ihr Mann immer noch Arbeit mit zu Hause: Kalkulationen, Planungen, Steuerprobleme, Gehaltsfragen, Kreditanträge an die Banken … In der Woche arbeitet er bis spät in die Nacht. Er sagt immer wieder: „Bald sind wir aus dem Gröbsten raus, dann machen wir es uns schön. Dann haben wir Zeit für uns …“ Hans, 35,

Betriebsratsvorsitzender, aktiver Gewerkschafter, steht hinter seiner Gewerkschaft (IGM), die Sonntagsarbeit aus Arbeitnehmerinteressen ablehnt.

Andreas, 23,

Elektrotechn. Assistent, ledig und unternehmungslustig, genießt sein Wochenende sehr: Freitagabend Disko, Samstag ausschlafen und abends wieder auf der Rolle, Sonntags ausschlafen und dann mal ausspannen – das möchte er nicht aufgeben nur für ein paar Kröten mehr.

Boris, 43,

Kommunikationselektroniker, zum Programmierer umgeschult, hat nach seiner Scheidung von seiner Frau finanzielle Sorgen: das Haus ist noch nicht abbezahlt, Frau und Kinder haben Anrecht auf einen erheblichen Teil seines Verdienstes. Auch er ist aktiver Gewerkschafter.

Mohammed, 28,

Elektriker, hat als überzeugter Moslem Verständnis dafür, daß religiöse Vorschriften eingehalten werden. Die Feiertagsruhe ist ihm heilig. Er versteht die Christen nicht, die anders denken.Petra, 27,

alleinerziehende Mutter von zwei Kindern – 3 und 9 Jahre alt – ist als Buchhalterin beschäftigt. Sie muß ihre beiden Kinder allein ernähren, weil ihr Mann sich aus dem Staube gemacht hat. Sie arbeitet gerne in ihrem Beruf, hat aber ein schlechtes Gewissen, weil sie zu wenig Zeit für ihre Kinder hat.

Chefprogrammierer Eduard, 35,

ledig, lebt ganz für seinen Beruf, er kann sich ein Leben ohne Computer gar nicht vorstellen. Er hat kein Privatleben. Die Lösung schwieriger Programmieraufgaben fordert ihn heraus: Ich will es schaffen. So arbeitet er zu Hause noch an seinem Computer an Problemen aus der Firma.

Sascha, 17,

Azubi und Jugendvertreter hat es gut, er kann seine Jugendlichen beruhigen: Für Auszubildende ist Sonntagsarbeit in jedem Fall verboten. Aber er hat auch seine Meinung dazu. Er will vielleicht in der Firma weiterarbeiten. Außerdem ist seine feste Freundin als Verkäuferin tätig und sonntags …

Suchen Sie sich eine Rolle aus, die Sie sich näher ansehen wollen.
Überlegen Sie sich Argumente, die Sie in die Diskussion einbringen könnten.

Sicherung des Existenzminimums und „gerechter“ Lohn

Lernweg: Die „Arbeiter im Weinberg“ (Mt 20) als Gerichtsverhandlung: Einer der „Ersten“ klagt vor dem Arbeitsgericht wegen ungleicher Behandlung. Prozeßparteien: die Anwälte der „Letzten“, der Arbeitgeber und der Kläger. (è Autschbach: Gleichnisse)
Ziele: 1. Den Wertekonflikt zwischen formaler Gerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit erfahren (Schutz des Schwachen). 2. Einsicht gewinnen in die Notwendigkeit der Sicherung durch soziale Netze. 3. Die Problematik „gerechter Lohn“ durcharbeiten.

Meine Zukunft im Beruf

TZI-Thema:
„Meine Zukunftsvorstellungen, meine Ideale und meine Träume vom Beruf – welche habe ich – wie will ich sie mit der Wirklichkeit in Einklang bringen – was bringen sie mir für mein persönliches Wachstum?“
Vorbereitung: Malen: Ich in 10 Jahren in einem Beruf
Auswertung: 1. Wie habe ich mich beim Malen gefühlt? 2. Die Bilder werden im Plenum – freiwillig – vorgestellt. 3. Versuch der Einordnung in die drei Rubriken: Das ist erreichbar (Realität). Das ist ein Traum, aber wohl kaum erreichbar (Traum). Das wäre erstrebenswert, könnte ich mit Anstrengung erreichen (Ideal).

Schaubild 10: TZI-“Globe“: Meine Zukunft im BerufFortsetzung mit TZI-Thema: „Meine Lebensplanung: Beruf, Familie, Freunde, Eintreten für andere und Selbstentfaltung – wie will ich das zusammenbringen in meinem Leben – um mich wohl zu fühlen?“
Ziele: 1. Zwischen Realität, Traum und Ideal unterscheiden. 2. Eigene Schritte zur Lebensplanung überlegen.


Die zukünftige Verteilung der knapper werdenden Arbeit


Lernweg: Expertendiskussion.
1. Rollen: Arbeitgeber (Kleinbetrieb), Großaktionär, Gewerkschafter, Auszubildender, alleinerziehende Mutter, Vertreter einer Kirche, Politiker (unterschiedlicher Richtung)
2. Die Gruppen informieren sich über Modelle (z.B. Verkürzung der Wochenarbeitszeit, der Lebensarbeitszeit, gleitendes Ausscheiden der Alten, Sabbatjahr, zweiter Arbeitsmarkt, Aufwerten der Nichterwerbstätigkeit, Grundlohnmodell) und entscheiden sich für eins oder mehrere, die ihrer Interessenlage entsprechen.
3. Expertendiskussion zum Thema: Weniger Arbeit – was nun?
4. Auswertung: 1. Wie habe ich mich in der Rolle gefühlt? 2. Wie kamen die Argumente unserer Gruppe an? 3. Worin sehe ich Ergebnisse der Diskussion?
Ziele (z.T. erst durch weitere vertiefende Arbeit zu erreichen): 1. Informationen erarbeiten und aufnehmen. Vor- und Nachteile jedes Modells für einzelne/Gesamtgesellschaft/Arbeitsanbieter genau definieren. 2. Interessen hinter den Positionen erfassen. 3. Ethische Begründung von Interessen analysieren. 4. Eigenen Standpunkt definieren. 5. Verfahren zum Interessenausgleich reflektieren. 6. Eine Zukunftsprognose wagen.

Literatur

Baethge, Martin: Der Stellenwert von Arbeit in den Lebenskonzepten Jugendlicher. In: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hg.): Jugend und Erziehung am Ende der Achtziger Jahre. Soest 1988, S. 69-75.
Cohn, Ruth C.: Zur Grundlage des themenzentrierten interaktionellen Systems: Axiome, Postulate, Hilfsregeln (1974). In: Cohn, Ruth C.: Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart 1975, S. 120-133.
Cohn, Ruth C.: Zur Humanisierung der Schulen: Vom Rivalitätsprinzip zum Kooperationsmodell mit Hilfe der themenzentrierten Interaktion (TZI), (1973). In: Cohn, Ruth C.: Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart 1975, S. 152-175.
Feiks, Brigitte: Humanisierung der industriellen Arbeitswelt: Als Anfrage an die theologische Sozialethik und Praktische Theologie und ihre Konkretion für den Religionsunterricht an der Berufsschule. Essen 1987.
Grösch, Dieter: Biografie und Lebenskonzept: Widersprüche und Brüche im Prozess der Identitätsfindung junger Berufstätiger. Gudensberg-Gleichen 1987.
Hoff, Ernst: Arbeit, Freizeit und Persönlichkeit. Wissenschaftliche Modelle und subjektive Theorien. Bern 1986.
Kryszon, Sabine: Arbeitsansprüche der individualisierten Jugendgeneration. Berlin 1991.
Lempert, Wolfgang: Moralisches Denken: seine Entwicklung jenseits der Kindheit und seine Beeinflußbarkeit in der Sekundarstufe II. Essen 1988.
Mokrosch, Reinhold/Stoodt, Dieter: Elemente und Medien zur Friedens- und Konflikterziehung im Religionsunterricht. In: Mokrosch, Reinhold/Schmidt, Hans P./Stoodt, Dieter: Ethik und religiöse Erziehung. Stuttgart 1980, S. 101-212.
Richtlinien Evangelische Religionslehre für die Berufsschule, Landesinstitut NW, Soest, 29.10.1993 (Entwurf).
Schulz, Wolfgang: Unterrichtsplanung. München 1981.
Stollberg, Dietrich: Lernen, weil es Freude macht. München 1982.
Tismer, Karl G.: Konstanz und Veränderung in der Einstellung von Berufsschülern zur Arbeit. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 87 (1991), H. 5, S. 388-398.
Vopel, Klaus W.: Interaktionsspiele für Jugendliche, Teil 1. Hamburg 1981.

Dietrich Horstmann